

Marcus Bosse, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, moderierte die Fachveranstaltung und wies in seiner Einführung auf die Verantwortung hin, die Wissenschaft, Forschung und Politik haben, wenn sie sich auf unsicherem Terrain wie der Forschung rund um die Kernenergie und Kernfusion bewegen. „In dem ehemaligen Forschungsbergwerk Asse liegen Dinge, die im Namen der Forschung vor mehr als vierzig Jahren dort eingelagert wurden, wo heute nicht mehr sicher ist, welche Folgen die Einlagerung für Mensch und Umwelt hat. Hier haben Politik und Wissenschaft vor Jahren geschlafen. Ausbaden müssen dies künftige Generationen“, so Bosse.
Zum Thema Contra Kernfusionsforschung referierte Dr. Ulrich-Dieter Standt von der Projektgruppe Energie im Unterbezirk Gifhorn. Ein Problem bei der Kernfusion sei vor allem die geringe Menge an Tritium in der Umwelt. „Durch kernchemische Umwandlung kann aus Lithium Tritium erbrütet werden. Dies würde dann aber in Konkurrenz zur Elektromobilität stehen, die auf Batterien aus Lithium setzt“, so Standt. Zudem stelle sich noch immer die Frage der sicheren End- oder Zwischenlagerung des Reaktorschrotts. Vermutlich würden die Reaktoren nach Betriebsende mangels vorhandener Lagerkapazität in der Landschaft stehen gelassen, bis die Radioaktivität abgeklungen ist.
Ein weiteres Problem ist der zu erwartende hohe Preis für den Fusions-Strom. Dieser kostet nach derzeitigen Kalkulationen mindestens 0,15 €/kWh. Weitere Kostensteigerungen sind zu erwarten. Damit würde der Fusions-Strom teurer als der Strom aus Solarthermie-Kraftwerken (derzeit 0,12 €/kWh für das marokkanische Kraftwerk Noor1).
Ein klarer Befürworter der Kernfusionsforschung ist Prof. Dr. Bruno Thomauske von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Er betonte, dass sich Deutschland mehr denn je im globalen Wettbewerb befinde und die Stärke der deutschen Wirtschaft unter anderem auf der Technologieführerschaft in wichtigen Bereichen beruhe. „Unser Wohlstand gründet sich vor allem darauf, dass wir im Lande die Technologieführerschaft für komplexe Systeme haben. Um diesen Vorsprung zu sichern, sind hohe Investitionen in die Forschung nötig“, erklärte Thomauske.
Zur Daseinsvorsorge des Staates gehöre es auch, dass Energie weiterhin für alle Bevölkerungsgruppen bezahlbar bleiben muss. Global werde der Energiebedarf weiter steigen. Die Kernfusion könne bei der Energiebereitstellung eine wichtige Rolle spielen. Zur Frage der Behandlung der Reaktoren nach dem Betriebsende bestätigte Thomauske die Vermutung von Standt, dass die Reaktoren zum Abklingen der Radioaktivität stehen gelassen würden, dazu nannte er einen Zeitraum von 50 bis 100 Jahren.
In der anschließenden Diskussion wurde vor allem darauf hingewiesen, dass es in Deutschland keine Technologie- und Forschungsfeindlichkeit geben darf. Vor allem Forschung müsse in allen Bereichen erlaubt sein. Die Gesellschaft müsse aber einen Rahmen setzen und sagen, welches Ziel die Forschung haben soll, weil sie auch das Geld dafür zur Verfügung stellt.
Die Präsentationen sowie die Diskussion ergaben ferner, dass die zu lösende Aufgabe, mit der Kernfusion auf der Erde Strom erzeugen zu wollen, äußerst komplex und aufwendig ist. Das sei auch der Grund, weshalb die Arbeiten daran bisher zu keinem Durchbruch geführt haben. Auch der im Bau befindliche Fusionsreaktor ITER ist nur ein Forschungs-Projekt, das keinen Strom liefere, sondern verbrauche. Strom erzeugen werde erst das Nachfolge-Projekt eines Prototypenreaktors, für dessen Fertigstellung ein Zeitraum von etwa 75 Jahren ab heute benannt wurde.
Von mehreren Teilnehmern der Diskussion wurde darauf verwiesen, dass der sehr lange Zeitraum bis zur Bereitstellung des Fusionsstroms keine Lösungsansätze für die derzeit vorhandenen Energieprobleme liefern würde und daher entmutigend sei.
Verwiesen wurde in der Diskussion auch auf das Problem, dass bei der Herstellung des Fusionsreaktors zum Einschluss des Plasmas supraleitende Magneten gebraucht würden, die derzeit nur mit Seltenerdmetallen hergestellt werden können. Wenn diese Bauteile nach Stilllegung des Reaktors 50 bis 100 Jahre aus dem Verkehr gezogen würden, werde dies zu einer weiteren Verknappung und Verteuerung dieser jetzt schon knappen und teuren Metalle führen.
Bosse betonte abschließend, dass sich die Umgebung der Erzeugungsstätte sicher verändert, egal welche Energie erzeugt würde. Dies ist bei Wind- und Solarenergie genauso wie bei Kohle, Biogas und allen anderen Erzeugungsformen.
Aus Sicht der SPD ist aber auch die Frage zu stellen, wann sie der Auffassung ist, dass die Energiewende ein Erfolg ist. Zur Daseinsvorsorge gehöre auch, dass Energie bezahlbar für alle bleibt, aber auch sicher und sauber produziert wird. Aus globaler Sicht muss sich die SPD aber auch die Frage stellen, wie Klimaschutz und vor allem die Klimaschutzziele zu verwirklichen sind, wenn auf der anderen Seite die Angleichung der Lebensverhältnisse als Ziel der SPD weltweit zu einem erheblichen steigenden Energiebedarf führen wird.